11. GWB-Novelle: Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz verschärft Kartellrecht

Durch die 11. GWB-Novelle in Form des Wettbewerbsdurchsetzungsgesetzes wurde das Kartellrecht in Teilen angepasst. Dabei wurden teils grundlegende Änderungen vorgenommen. Ziel der Anpassungen: die Eingriffsmöglichkeiten des Bundeskartellamtes (BKartA) durch erweiterte Befugnisse zu verbessern und damit das Kartellrecht insgesamt effizienter zu machen.

Die wichtigsten Neuerungen durch die 11. GWB-Novelle

Die wesentlichen Neuerungen, die die 11. GWB-Novelle mit sich bringt, lassen sich dem Grund nach auf vier Themen reduzieren.

1. Präventive Eingriffsbefugnisse für das Bundeskartellamt nach Sektoruntersuchungen

Sektoruntersuchungen sind an sich nicht neu. Sie ermöglichen dem Bundeskartellamt (BKartA) unternehmensunabhängig Strukturen und Wettbewerbsverhältnisse in einzelnen Branchen (Sektoren) zu analysieren und beschränkt auf einen Markt, Risiken für den Wettbewerb aufzudecken. Eingriffsbefugnisse hatte des BKartA bisher allerdings nur, wenn

  • eine weitreichende Befragung von Marktteilnehmern und die umfassende Aufklärung der Funktionsweise der Märkte stattgefunden hatte und
  • es bereits zu Kartellrechtsverstößen gekommen war

Erst dann konnte das BKartA einzelne Verfahren wegen konkreten Verstößen einleiten und im Übrigen nur einen Abschlussbericht erstellen.

Das wurde nun angepasst: Sektoruntersuchungen sollen nun schneller vonstattengehen und bestenfalls nur 18 Monate dauern. Zu einer echten Verschärfung kommt es hingegen in Bezug auf die Maßnahmen, die nach einer Sektoruntersuchung möglich sind: Seit Inkrafttreten des Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz kann das BKartA auch ohne Kartellrechtsverstoß verhaltensorientierte und strukturelle Abhilfemaßnahmen ergreifen, wenn eine „erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs“ droht (§ 32f Abs 3 GWB).

Das Gesetz benennt hier u.a. ausdrücklich:

  • die Gewährung des Zugangs zu Daten, Schnittstellen, Netzen etc.,
  • Verpflichtung zur Etablierung transparenter, diskriminierungsfreier und offener Normen und Standards,
  • Vorgaben zu bestimmten Vertragsformen oder Vertragsgestaltungen einschließlich vertraglicher Regelungen zur Informationsoffenlegung,
  • buchhalterische oder organisatorische Trennung von Unternehmens- oder Geschäftsbereichen.

Im Sinne einer ultima ratio ist außerdem die eigentumsrechtliche Entflechtung marktbeherrschender Unternehmen möglich – eine erhebliche Eingriffsbefugnis, die allein auf der Grundlage „erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs“ möglich sein soll und keine Kartellrechtsverletzung voraussetzt. Ob eine solche Maßnahme verfassungsgemäß ist, darf bezweifelt werden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Diese Anpassung der Befugnisse des Kartellamtes ist grundlegend. Es kann nun nicht mehr nur repressiv tätig werden, sondern in Folge einer Sektoruntersuchung in Branchen präventiv eingreifen, „um Wettbewerb und Innovation auf verkrusteten oder vermachteten Märkten wieder zu ermöglichen“, wie es Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, formulierte.

2. Leichtere Vorteilsabschöpfung durch Kartellbehörde

Auch an § 34 GWB traute man sich im Rahmen der 11. GWB-Novelle heran. Mit Inkrafttreten des Wettbewerbsdurchsetzungsgesetzes wurde die Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde erheblich praxis- und damit deutlich compliancerelevanter gestaltet.

Es wurden vor allem zwei Vermutungen eingeführt, die Vorteilsabschöpfungen in der Praxis erleichtern sollen: Nun wird – widerlegbar – vermutet, dass ein Kartellrechtsverstoß immer zu einem wirtschaftlichen Vorteil führt. Gleichzeitig gilt jetzt die Vermutung, dass die Höhe eines kartellrechtswidrig erzielten Vorteils mindestens 1 % der Umsätze im Inland beträgt, die vom Kartellrechtsverstoß betroffen waren. Nicht zuletzt darf die Kartellbehörde seit Inkrafttreten des Wettbewerbsdurchsetzungsgesetzes die Höhe des Vorteils auf eine „überwiegend wahrscheinliche Höhe“ schätzen.

Allerdings wurden andere geplante Änderungen nicht im Gesetz umgesetzt: So ist eine Vorteilsabschöpfung weiterhin nur bei schuldhaften Kartellrechtsverstößen möglich und auch die zeitliche Begrenzung der Vorteilsabschöpfung wurde nicht verlängert.

Konferenzraum eines Großkonzerns

3. Digital Markets Act und das Bundeskartellamt

Eine weitere wesentliche Neuerung betrifft die Befugnisse des BKartA im Zusammenhang mit möglichen Verstößen von Unternehmen gegen Art. 5 bis 7 des Digital Markets Act (DMA): Das BKartA darf zur Unterstützung der Europäischen Kommission nun nach § 32 g GWB selbst auf Grundlage des DMA ermitteln. Konkret für diese Fälle hat das Bundeskartellamt explizite Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefugnisse erhalten und kann nun ein eigenes Auskunftsrecht gegenüber Gatekeepern nach dem DMA ausüben.

Aber nicht nur die öffentliche Durchsetzung des DMA wurde durch die 11. GWB-Novelle gestärkt: privatrechtliche Schadensersatzforderungen oder Unterlassungsklagen können nun direkt auf Verletzungen des DMA gestützt werden. Das dürfte die Einhaltung des DMA auch unmittelbar in Deutschland verbessern, wird aber gleichzeitig zu gesteigerten Compliance-Risiken in diesem Bereich führen.

4. Erweiterte präventive Fusionskontrolle

Und auch in Hinblick auf die präventive Fusionskontrolle hat die 11. GWG-Novelle Neuerungen mit sich gebracht: Künftig kann das Bundeskartellamt nach einer Sektoruntersuchung auch kleinere Unternehmenszusammenschlüssen einer Fusionskontrolle unterziehen. Denn mit Inkrafttreten des Wettbewerbsdurchsetzungsgesetzes sind die Schwellenwerte gesenkt worden, so dass nun auch Zusammenschlüsse kleinerer Unternehmen (Erwerber: mehr als 50 Mio. Euro Umsatz, Zielunternehmen mehr als 1 Mio. Euro Umsatz) präventiv zu einer Fusionskontrolle angemeldet werden müssen.

Folgen der 11. GWB-Novelle für Unternehmen

Geht es nach dem Willen des Gesetzgebers soll die 11. GWB-Novelle das Bundeskartellamt in die Lage versetzen, in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen für mehr Wettbewerb zu sorgen, um die Wirtschaft bzw. den Wettbewerb und Verbraucher zu schützen.

Zwar ist das Gesetz bereits in Kraft getreten, dennoch sind die Änderungen und deren Umsetzung derzeit noch Zukunftsmusik. Denn es bleibt abzuwarten, wie das Bundeskartellamt seine neuen Befugnisse nutzt und mit seiner finanziellen und personellen Ausstattung nutzen kann. Außerdem wird die Zukunft zeigen, wie Gerichte künftig entsprechende Maßnahmen des Bundeskartellamtes bewerten werden, wie also erste Verfahren auf Basis der neuen Rechtslage ausgehen werden.

Damit bleibt insgesamt abzuwarten, ob „vermachtete Märkte“ aufgrund der neuen Befugnisse des Bundeskartellamts tatsächlich aufgebrochen werden können, wie es sich der Präsident des Bundeskartellamtes wünscht. In Hinblick auf das Thema Compliance sollten sich Unternehmen aber durchaus zeitnah mit der 11. GWB-Novelle auseinandersetzen und sie in ihrer strategischen Planung berücksichtigen.