Die Beteiligung von Bietern aus Drittstaaten an europaweiten Vergaben

Wir fassen für Sie zusammen:

  • Die EU ist durch internationale Übereinkünfte nur gegenüber solchen Drittländern gebunden, die den Zugang der Wirtschaftsteilnehmer der Union zu öffentlichen Aufträgen in diesen Drittländern und den Zugang der Wirtschaftsteilnehmer dieser Drittländer zu öffentlichen Aufträgen in der Union in wechselseitiger und gleicher Weise gewährleisten.
  • Bieter aus solchen Drittstaaten hingegen, die keine Vereinbarung mit der EU über die wechselseitige gleichberechtigte Teilnahme von Unternehmen an Ausschreibungen geschlossen haben, können zwar an europaweiten Vergabeverfahren teilnehmen, haben darauf jedoch keinen Anspruch.
  • Wenn sie teilnehmen bzw. zu einer Teilnahme von dem öffentlichen Auftraggeber im Einzelfall zugelassen werden, sind sie nicht mit EU-Unternehmen gleichberechtigt und dürfen in Abgrenzung zu diesen unterschiedlich behandelt werden.
  • Bieterrechte nach dem EU-Vergaberecht stehen ihnen nicht zu und dürfen ihnen auch nicht eingeräumt werden.

EuGH-Urteile:

So lässt sich die Quintessenz der beiden aktuellen Entscheidungen des EuGH zu den Rechten von Unternehmen aus bestimmten Drittstaaten in EU-Vergabeverfahren zusammenfassen.

Rechtslage für Bieter aus nicht-assoziierten Drittstaaten

Unternehmen, deren Heimatstaaten keine Übereinkunft mit der EU zur gleichberechtigten Wettbewerbsteilnahme der jeweiligen Unternehmen abgeschlossen haben, müssen erhebliche rechtliche Einschränkungen hinnehmen. In den konkreten Fällen waren dies Unternehmen aus der Türkei und aus China. Sie kamen jeweils in Vergabeverfahren in einem EU-Mitgliedstaat nicht zum Zuge und ersuchten daher unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz um gerichtlichen Rechtsschutz nach den Maßstäben des EU-Vergaberechts.

Diesen Rechtsschutz hat ihnen der EuGH nicht zugebilligt. Er stehe wie die vergaberechtlichen Bieterrechte den Unternehmen aus der EU und daneben nur solchen Unternehmen aus Nicht-EU-Drittstaaten zur Verfügung, die mit der EU eine entsprechende, auf Wechselseitigkeit beruhende Vereinbarung abgeschlossen hätten. Da dies in den entschiedenen Fällen auf die Türkei einerseits und auf China andererseits nicht zutraf, sind die betroffenen Unternehmen „leer ausgegangen“ – kein Abkommen mit der EU, keine Bieterrechte im Wettbewerb um öffentliche Aufträge.

Folgen für den Vergabewettbewerb um öffentliche Aufträge in Deutschland

Hier ist zu unterscheiden:

1. Teilnahme auf eigenen Antrieb durch Drittstaatenbieter:

Nehmen an einem Vergabeverfahren Unternehmen aus vergaberechtlich nicht assoziierten Drittstaaten („Wirtschaftsteilnehmer aus einem Drittland ohne internationale Übereinkunft mit der Union über die Gewährleistung des gleichen und wechselseitigen Zugangs zu öffentlichen Aufträgen“) aus eigenem Antrieb teil,

  • dann ist deren Ausschluss aus dem Vergabeverfahren ohne Weiteres mit dieser Begründung zulässig;
  • deren Verfahrensbeteiligung kann aber durch den jeweiligen Auftraggeber im Einzelfall gestattet werden;
  • jedoch können sich diese Unternehmen auch dann nicht auf Bieterrechte des EU-Vergaberechts und Gleichbehandlung berufen.

2. Gewollte Beteiligung (z. B. aus sachlichen Gründen):

Geht es jedoch z. B. wegen der Besonderheiten des Beschaffungsbedarfs um eine gewollte Beteiligung von Unternehmen aus vergaberechtlich nicht assoziierten Drittstaaten, etwa um den Wettbewerb zu erhöhen oder um Zugriff auf bestimmte Liefer- oder Dienstleistungen zu erhalten,

  • dann ist die Zulassung solcher Bieter eine sachlich-fachliche Entscheidung des Auftraggebers im Einzelfall;
  • es steht dem Auftraggeber frei, in den Auftragsunterlagen Behandlungsmodalitäten aufzuführen, die den objektiven Unterschied zwischen der Rechtsstellung dieser Wirtschaftsteilnehmer einerseits und der Rechtsstellung der Wirtschaftsteilnehmer aus der Union andererseits verdeutlichen, z.B. durch besondere Eignungsanforderungen, eine bestimmte Rechtsform, den Nachweis der Beteiligungen, der Offenlegung von Entscheidungsstrukturen oder durch das Verbot der Weitergabe kritischer Auftragsteile an bestimmte Nachunternehmer;
  • aber auch in einem solchen Fall können sich die beteiligten Unternehmen aus Drittstaaten nicht auf Bieterrechte und Gleichbehandlung nach dem EU-Vergaberecht berufen.

Was also ist nach diesen EuGH-Entscheidungen zu tun?

Auch insoweit muss unterschieden werden. Für Unternehmen aus der EU ist die Feststellung wichtig, dass sie gegenüber solchen Wettbewerbern, die aus vergaberechtlich nicht assoziierten Drittstaaten stammen, privilegiert sind und dies auch für sich in Anspruch nehmen können. Vergaberechtlicher Rechtsschutz steht diesen Wettbewerbern nicht zur Verfügung.

Öffentliche Auftraggeber hingegen müssen auf solche Konstellationen vorbereitet sein, indem sie entsprechende Klarstellungen in den Vergabeunterlagen vornehmen, sei es auf der Eignungsebene, sei es auf der Wertungsebene. Auch in diesem Fall kommt es wie so oft auf entsprechend transparente Vergabeunterlagen an. Bieterunternehmen aus der EU können von den Auftraggebern verlangen, dass eine entsprechende Unterscheidung erfolgt.

Nähere Informationen erteilt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht JR Dr. Matthias Krist direkt unter koblenz@krist-kollegen.de oder über dieses Kontaktformular.