Die zurückgetretene Bundesregierung hat gleichsam als eines der letzten Lebenszeichen noch den Entwurf eines sog. Vergaberechtstransformationsgesetzes (VergRTransfG) in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Den Referentenentwurf aus dem Hause des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz hat das Bundeskabinett am 27.11.2024 gebilligt. Der Bundesrat hat am 20.12.2024 über den Entwurf beraten. Als „Maßnahme zur Vereinfachung und zum Abbau von Bürokratie“ beinhaltet das Gesetzesvorhaben u.a. auch eine als „Flexibilisierung des Losgrundsatzes mit Augenmaß (§ 97 GWB; § 22 UVgO)“ angestrebte Rechtsänderung, die den Mittelstand massiv benachteiligen wird – manche sagen auch: massiv benachteiligen soll (siehe dazu: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Gesetz/20241018-refe-vergrtransfgdownload.pdf?__blob=publicationFile&v=4).
Beabsichtigt ist eine gravierende Absenkung derjenigen Anforderungen, die das Vergaberecht aus guten Gründen an die Zulässigkeit von sog. Gesamtvergaben stellt. Selbst Teile einer ausnehmend auftraggeberfreundlich anmutenden Anwaltschaft begrüßen im Ergebnis die Benachteiligung des Mittelstands im Wettbewerb und beim Vergaberechtsschutz (vgl. dazu „Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Transformation des Vergaberechts: https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-81-24-refe-vergabetransformationsgesetz) und machen sogar noch weitergehende Vorschläge in Richtung einer Abschaffung der losweisen Vergabe, als das Wirtschaftsministerium dies tut.
Dem treten wir mit einem ganz anderen Rechtsverständnis und auch mit einem ganz anderen Verständnis der anwaltlichen Aufgaben sehr deutlich entgegen. Wir unterstützen mittelständische Unternehmen und deren Interessenverbände mit Nachdruck bei der Verfolgung des Anliegens, die drohende massive Benachteiligung und Schwächung des Mittelstands zu verhindern. Dazu verweisen wir auf die beigefügte Presseerklärung des „Industrieverbands Straßenausstattung e. V.“ Wir hoffen sehr, dass dieses Vorhaben der Bundesregierung ohne Mehrheit noch rechtzeitig abgefangen wird.
Pressemitteilung des IVSt vom 10. Januar 2025 zum geplanten Vergabetransformationsgesetz der Bundesregierung Teilbereich Fach-/Teillosvergabe
Vergabetransformationsgesetz erschwert die Mittelstandsvergabe – keinen Schnellschuss der zurückgetretenen Regierung zulassen!
Mit der Zielsetzung, die nachhaltige und soziale Beschaffung stärken und zur bürokratischen Entlastung und Beschleunigung von Vergabeverfahren beitragen zu wollen, hat die zurückgetretene Bundesregierung noch den Entwurf eines sog. Vergaberechtstransformationsgesetzes (VergRTransfG) in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht.
Den Referentenentwurf aus dem Hause des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz hat das Bundeskabinett am 27.11.2024 gebilligt. Der Bundesrat hat am 20.12.2024 über den Entwurf beraten.
Als „Maßnahme zur Vereinfachung und zum Abbau von Bürokratie“ beinhaltet das Gesetzesvorhaben an etwas versteckter Stelle u.a. auch eine als solche bezeichnete „Flexibilisierung des Losgrundsatzes mit Augenmaß (§ 97 GWB; § 22 UVgO)“ (siehe dazu: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Gesetz/20241018-refe-vergrtransfgdownload.pdf?__blob=publicationFile&v=4). Hinter dieser gefälligen Überschrift verbirgt sich allerdings eine gravierende Absenkung derjenigen Anforderungen, die das Vergaberecht aus guten Gründen an die Zulässigkeit von sog. Gesamtvergaben stellt.
Bei einer Gesamtvergabe beauftragt der Staat einen Generalunternehmer. Da dieser nicht selbst alle Fachgewerke einer Hoch- oder Tiefbaumaßnahme ausführen kann, beauftragt er seinerseits Nach- bzw. Subunternehmer, die über die nötige Sachkunde für die Fachgewerke verfügen. In der Praxis führt dies dazu, dass sich die Vergütungs- und Arbeitsbedingungen der Fachlosnachunternehmer im Vergleich zu denjenigen, die bei einem direkten Verragsverhältnis zum öffentlichen Auftraggeber gelten, erheblich verschlechtern. Ein ordnungsgemäßer Wettbewerb um die Fachgewerke findet in diesen Fällen nicht statt. Die Generalunternehmer versuchen, möglichst günstige Nachunternehmer zu beauftragen, geben jedoch die dadurch generierten Gewinne nicht an den öffentlichen Auftraggeber in Gestalt besserer Preise weiter. Vielmehr verteuern sich die Fachlosarbeiten durch die Nachunternehmerzuschläge der Generalunternehmer.
Das über Jahrzehnte gewachsene und bewusst mittelstandsfreundliche System der Fachlosvergabe sieht daher aus guten Gründen vor, dass staatliche Aufträge in der Regel in Fach- und/oder Teillose aufzuteilen und in den Wettbewerb zu stellen sind, während die Generalunternehmervergabe nur ausnahmsweise zulässig ist (so aktuell § 97 Abs. 4 S. 2 und S. 3 GWB; § 5 EU Abs. 2 VOB/A). Die Rechtsprechung in Vergabesachen hat durch die Ausformung der vergaberechtlichen Anforderungen an eine Gesamtvergabe für erhebliche Rechtssicherheit gesorgt. Dabei spielt der allgemeine vergaberechtliche Wettbewerbsgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB ebenso eine Rolle wie die gesetzgeberische Absicht, mittelständische Interessen insbesondere durch den Grundsatz der losweisen Vergabe zu fördern; § 97 Abs. 4 S. 1 GWB. Die Mittelstandsförderungsgesetze der Länder sehen eine entsprechende Vergabeausgestaltung vor (vgl. z. B. § 22 Abs. 1 des Gesetzes zur Mittelstandsförderung BaWü; Art. 18 Abs. 1 Mittelstandsförderungsgesetz BY). Es dürfte politischer Konsens sein, dass der Mittelstand die – wenn auch zunehmend gefährdete – tragende Säule der deutschen Wirtschaft ist.
Nahezu unbemerkt legt nun der in der Ministerialverwaltung ausgearbeitete Gesetzesentwurf die Axt an dieses so zu bezeichnende mittelständische Kulturgut. Unter dem Deckmantel einer angeblichen Vereinfachung und Entbürokratisierung des Vergaberechts sollen die Voraussetzungen für eine Gesamtvergabe derart herabgesetzt werden, dass von dem bisherigen Grundsatz der losweisen Vergabe in der Praxis nichts mehr übrigbleiben wird. Während bisher der öffentliche Auftraggeber zur Begründung einer nur im Ausnahmefall zulässigen Gesamtvergabe darlegen und nachweisen muss, dass der jeweilige Beschaffungszweck ein Absehen von der Losaufteilung aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen erforderlich macht, sieht der Habeck-Entwurf vor, dass der bloß „rechtfertigende Verweis“ auf solche Gründe ausreichen soll. Für den unbefangenen Leser erscheint dies als bloßes „wording“. Jedoch ist das Gegenteil der Fall: die beabsichtigte Abschwächung der Anforderungen an Gesamtvergaben soll diese erheblich erleichtern. Der bloße Verweis darauf, dass eine Gesamtvergabe aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen erfolge, soll künftig ausreichen, um ganze Marktsegmente der Beteiligung des Mittelstands vollständig zu entziehen.
Das ist das genaue Gegenteil von einer mittelstandsfreundlichen Wirtschaftspolitik und einer Auftragsvergabe des Staates, die Rücksicht auf den Mittelstand nimmt. Gerade die Digitalisierung macht es möglich, Ausschreibungen ohne besonderen Aufwand in Lose aufzuteilen und in einen gesunden Wettbewerb zu stellen. Deshalb sprechen sich nicht wir, sondern auch die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e. V. (BVMB) und der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), die Bundesarchitektenkammer (BAK) und die Bundesingenieurkammer (BIngK) gegen diese beabsichtigte Gesetzesänderung aus (vgl. dazu ganz aktuell: https://www.zdb.de/meldungen/vergabetransformationsgesetz-kammern-und-verbaende-gegen-abschaffung-der-mittelstandsgerechten-losvergabe-am-bau).
Der Mittelstand ist auf faire und interessengerechte Vergabeverfahren der öffentlichen Hand existenziell angewiesen. Er ist die Stütze der deutschen Wirtschaft und des deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes. Das bestehende System der losweisen Auftragsvergabe sichert dies ab und lässt zugleich genügend Raum, um im einzelnen Fall große GU-Vergaben umzusetzen. Deshalb schließen wir uns den Forderungen an, dieses sehr bewährten System nicht ohne Not abzuschaffen.
Unser Land steht in der Problematik der Abwanderung der Großindustrie aus standortpolitisch-wirtschaftlichen Gründen. Unser Land wird jedoch auch und besonders durch einen starken Mittelstand repräsentiert. Wir bilden Azubis aus, wir sorgen für Nachwuchs im Bereich der Führungskräfte. Es sollte einer zurückgetretenen Bundesregierung nun nicht noch ermöglicht werden, gleichsam als letzte Tat diesen Mittelstand noch einmal massiv zu schwächen. Unterstützen Sie den Mittelstand deswegen besonders in diesem Fall. Gerade jetzt, vor und in der nächsten Legislatur!
Das Thema ist ein solches einer neuen kraftvollen Bundesregierung!

Roland Hundertmark

Gregor Becker
IVSt. e. V. – Hinterstraße 19 – 37441 Bad Sachsa
Vorsitzender: Roland Hundertmark – Geschäftsführer: Gregor Becker
AG Hagen – VR 2191 – www.ivst.de