Vergaberechtliche Anforderungen im KHZG

In vielen deutschen Krankenhäusern sind noch heute Notizzettel und Stifte in Benutzung. Um die Digitalisierung im Gesundheitswesen endlich anzuschieben, hat der Gesetzgeber im Jahr 2020 das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) erlassen. Bund und Länder haben gemeinsam 4,3 Milliarden Euro Fördergelder bereitgestellt, damit Krankenhäuser in den Ausbau der Digitalisierung und IT-Sicherheit investieren können. Gleichzeitig sollen die Notaufnahmen besser und moderner ausgestattet und alle Patientenzimmer künftig auf die besonderen Herausforderungen einer Epidemie vorbereitet sein. Krankenhausträger, die eine Förderung für ein Projekt erhalten möchten, müssen zunächst dem Land gegenüber ihren Bedarf anmelden. Sodann beantragen die Länder die Fördermittel gebündelt beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und erlassen anschließend Fördermittelbescheide gegenüber den einzelnen Krankenhausträgern. Eine ungeahnte Herausforderung für die Antragsteller sind dabei, dass vergaberechtliche Anforderungen im KHZG auf verschiedenen Regelungen des Vergaberechts basieren können. Gerade private und kirchliche Träger, die bisher keine Berührung mit diesem Rechtsgebiet hatten, müssen sich eingehend über die Bestimmungen informieren.

Förderungsfähige Vorhaben nach § 19 KHSFV

Welche Vorhaben nach dem KHZG förderungsfähig sind, ergibt sich aus § 19 der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung (KHSFV), die 11 Tatbestände auflistet. Zu einigen Maßnahmen sind die Krankenhäuser bereits gesetzlich verpflichtet, andere können sie freiwillig umsetzen. Zu den KHZG Fördertatbeständen gehören die Einrichtung oder Weiterentwicklung:

  1. der informationstechnischen Ausstattung der Notaufnahme,
  2. von Patientenportalen,
  3. der elektronischen Leistungsdokumentation in digitalen Patientenakten,
  4. automatisierter Systeme zur Entscheidungsunterstützung,
  5. des digitalen Medikationsmanagements,
  6. interner elektronischer Prozesse zur Anforderung von Leistungen,
  7. von Systemen zur Leistungsabstimmung mit anderen Krankenhäusern,
  8. eines onlinebasierten Bettennachweises,
  9. telemedizinischer Netzwerke,
  10. von Anlagen, die die störungsfreie Verfügbarkeit und Vertraulichkeit der IT-Systeme garantieren und
  11. von Patientenzimmern, die den besonderen Anforderungen im Falle einer Epidemie gerecht werden.

Allgemeine Voraussetzung ist, dass das Land, der Krankenhausträger oder beide gemeinsam mindestens 30 % der Förderung übernehmen und dass mindestens 15 % der Summe in IT-Sicherheit fließt. Weiterhin darf die Maßnahme nicht bereits vor dem 02.09.2020 begonnen haben, und der für das Projekt verantwortliche IT-Dienstleister muss an einer Schulung beim BAS teilnehmen. Für einzelne KHZG Fördertatbestände, nämlich die Ziffern 2-6 und 9, gelten zusätzliche Voraussetzungen nach § 19 II KHSFV. Zunächst müssen neue Systeme interoperabel mit bereits bestehenden Diensten sein, was nach internationalen technischen Standards zu beurteilen ist. Weiterhin müssen sich neu generierte Dokumente in die elektronische Patientenakte übertragen lassen. Es sind alle datenschutzrechtlichen Bestimmungen einzuhalten und Maßnahmen zur Informationssicherheit nach dem aktuellen Stand der Technik zu treffen. Schließlich sind die Vorgaben des 5. Sozialgesetzbuches über die Integration von Schnittstellen bei der Bearbeitung von Patientendaten und zur Nutzung von Telematikinfrastruktur zu beachten.

Vergaberechtliche Regelungen für öffentliche Krankenhäuser

Die Förderrichtlinie zu § 21 II KHZG bestimmt in Ziffer 5.2, dass bei der Vergabe von Aufträgen die Vorgaben des nationalen und europäischen Vergaberechts durchgehend zu berücksichtigen sind. Zusätzlich sollen die sonst üblichen und landesspezifischen Regeln gelten. Für öffentliche Krankenhäuser ergibt sich dadurch keine Veränderung gegenüber anderen Vorhaben, denn sie gelten ohnehin als öffentlicher Auftraggeber nach § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Sofern die EU-Schwellenwerte überschritten werden, müssen öffentliche Träger sich an die Vorschriften des GWB und der Vergabeverordnung (VgV) halten. Liegen die Investitionen unterhalb der Schwellenwerte, kommen die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) sowie Landesgesetze, Landesverordnungen und spezielle Verwaltungsvorschriften der Länder zum Zug. Regelmäßig machen die Länder die länderspezifischen „Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung“ (ANBest-P) zum Bestandteil ihrer Förderbescheide.

Vorgeschriebene Vergabeverfahren nach GWB und VgV

Nach dem GWB kann der Krankenhausträger bei der Ausschreibung grundsätzlich zwischen zwei Verfahrensarten wählen, dem offenen und dem nicht offenen Verfahren (§ 119 II GWB). Die anderen dort genannten Verfahrensarten, den wettbewerblichen Dialog und das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, darf er nur mit ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung anwenden. In § 14 VgV findet sich eine Reihe solcher Ausnahmetatbestände, die gerade bei den IT-Projekten im Bereich des KHZG häufig erfüllt sein dürften. So kann der Auftraggeber beispielsweise das Verhandlungsverfahren anwenden, wenn bereits verfügbare Lösungen angepasst werden müssen oder wenn die Komplexität der technischen Anforderungen eine genaue Beschreibung durch den Auftraggeber unmöglich macht (vgl. § 14 III Nr. 1 und 4 VgV).

Moderner Operationssaal

Parallele Geltung des GWB und der länderspezifischen ANBest-P

Oft sind öffentliche Auftraggeber nach dem Gesetz an die Vorgaben des GWB gebunden, während sie gleichzeitig durch den Bescheid verpflichtet werden, die ANBest-P des jeweiligen Landes einzuhalten. Die meisten ANBest-P bestimmen ausdrücklich, dass die geltenden Regelungen des Vergaberechts unberührt bleiben sollen, also beide Regelwerke nebeneinander Anwendung finden. Die Vorschriften können allerdings voneinander abweichen oder sich sogar widersprechen. So kann eine Verfahrensart nach dem GWB erlaubt, aber nach den ANBest-P unzulässig sein oder umgekehrt. Im Zweifel sollten Krankenhausträger zunächst versuchen, sich an der strengeren Regelung zu orientieren. Falls diese nicht zu ermitteln ist, können sie auf die einschlägigen Bestimmungen des EU-Rechts zurückgreifen.

Vergaberechtliche Anforderungen im KHZG für private und kirchliche Träger

Private und auch kirchliche Krankenhausträger sind zumeist nicht an das Vergaberecht nach dem GWB gebunden. Sie können nur ausnahmsweise als öffentliche Auftraggeber gelten, wenn sie zu mehr als 50 % von der öffentlichen Hand finanziert werden. Im Übrigen kommt für sie nur dann das GWB zur Anwendung, wenn eine landesrechtliche Bestimmung dies vorschreibt. Bei der Förderung nach dem KHZG gelten für sie aber regelmäßig die ANBest-P der Länder als Bestandteil des Zuwendungsbescheides. Diese Bestimmungen weichen in den einzelnen Ländern nicht nur im Hinblick auf die Schwellenwerte, sondern auch die zugelassenen Verfahrensarten voneinander ab. Manche Länder verweisen hierzu auf die UVgO, andere auf die frühere Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A), wieder andere stellen eigene Verfahrensvorschriften auf. Die ANBest-P einiger Länder enthalten keinen Verweis auf das Vergaberecht, sondern schreiben nur vor, dass der Auftraggeber mehrere Angebote einholen und diese dokumentieren muss.

Konsequenzen bei Verstößen gegen Vergaberecht

Wenn ein Krankenhausträger sich nicht an das nach ANBest-P vorgeschriebene Vergabeverfahren hält, begeht er einen Auflagenverstoß. Das Land kann den begünstigenden Verwaltungsakt nach dem allgemeinen Grundsatz des § 49 III Nr. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder auch nach den einschlägigen Bestimmungen der ANBest-P widerrufen. Die ANBest-P der meisten Länder setzen für den Widerruf ebenso wie das VwVfG keinen qualifizierten, also besonders schwerwiegenden Verstoß voraus, auch ein Verschulden ist grundsätzlich nicht erforderlich. Die Entscheidung über den Widerruf steht im Ermessen der Behörden, die stets zu Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet sind. Nur unter besonderen Voraussetzungen kann ein Widerruf demgegenüber im Einzelfall unverhältnismäßig erscheinen. Die Folge eines Widerrufs ist, dass das Land die vollständige Fördersumme zuzüglich Zinsen zurückfordern kann.

Fazit

Vergaberechtliche Anforderungen im KHZG sind äußerst komplex. Bei Förderungen nach dem KHZG müssen sich alle Antragsteller, sowohl öffentliche als auch private Träger, mit den für sie geltenden Bestimmungen des Vergaberechts auseinandersetzen. Denn die Nichteinhaltung einer vorgeschriebenen Vergabeart kann das gesamte Projekt zu Fall bringen. Hat die Durchführung schon begonnen oder ist sogar abgeschlossen, drohen erhebliche finanzielle Einbußen. Über die vergaberechtlichen Normen können sich Laien jedoch kaum einen Überblick verschaffen. Sie sind nicht nur in zahlreichen Einzelgesetzen normiert, von denen das eine auf das nächste verweist, sondern Landes-, Bundes- und EU-Recht müssen auch noch parallel betrachtet werden. Schon vor der Beantragung einer Förderung empfiehlt sich daher immer eine Beratung durch Fachanwälte für Vergaberecht.