Der städtebauliche Vertrag ist ein Instrument der Kooperation zwischen Kommunen und privaten Investoren bei städtebaulichen Projekten wie dem Bau von Wohnungen, kommunalen Einrichtungen, Einkaufs- oder Gewerbegebieten. Der Investor übernimmt zum Beispiel die Planungs- und Erschließungskosten sowie möglicherweise anfallende Folgekosten. Dafür schafft die Gemeinde Bauland, indem sie einen Bebauungsplan erstellt. Der Vorteil für die Gemeinde liegt zum einen in der Kostenersparnis, zum anderen kann sie im Vertrag zusätzliche Zielbindungen vereinbaren, die sie im Rahmen des Bebauungsplans nicht festlegen kann. Der Investor erhält im Gegenzug die Aussicht darauf, dass seine Grundstücke in Bauland umgewandelt werden, womit zumeist eine erhebliche Wertsteigerung einhergeht. Außerdem erspart er sich Zeit und kann die Planung nach seinen Vorstellungen mitgestalten.
Aktuell relevant sind wegen der herrschenden Wohnraumknappheit in bestimmten Gebieten die sogenannten Einheimischenmodelle. In begehrten Gegenden, in denen sich Auswärtige mit den nötigen Mitteln gern Eigentum kaufen, haben die Ansässigen oft keine Chance mehr auf bezahlbares Bauland. Die Gemeinden können hier mit dem Investor vereinbaren, dass ein bestimmter Anteil der veräußerten Flächen Einheimischen vorbehalten wird.
Rahmenregelung des § 11 BauGB
Beim städtebaulichen Vertrag handelt es sich um eine Sonderform des öffentlich-rechtlichen Vertrags, er wird im Baugesetzbuch (BauGB) in § 11 normiert. Diese Vorschrift fügte der Gesetzgeber 1998 in das Baugesetzbuch ein, nachdem sich das Rechtsinstitut bereits in der Praxis entwickelt hatte und von der Rechtsprechung konkretisiert worden war. Das Gesetz zählt beispielhaft bestimmte Vertragsinhalte auf, etwa die Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher Maßnahmen und die Deckung des Wohnbedarfs für bestimmte Bevölkerungsgruppen, die jedoch nicht abschließend sind. Weiter sind spezielle Vertragstypen in § 12 BauGB (Durchführungsvertrag im Rahmen eines Vorhaben- und Erschließungsplans) und § 124 BauGB (Erschließungsvertrag) ausdrücklich genannt. Grob lassen sich folgende Vertragstypen unterscheiden:
- Durchführungsverträge: Bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan i.S.d. § 12 BauGB muss sich der Vorhabeträger durch einen „Durchführungsvertrag“ zur Durchführung des Vorhabens in einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise verpflichten.
- Erschließungsverträge: Gemäß § 123 BauGB ist die Erschließung Aufgabe der Gemeinde, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften einem anderen obliegt, also die Herstellung von Straßen, Wasserleitungen und Abwasserkanälen. Bis 2013 war in § 124 BauGB geregelt, dass die Gemeinde die Erschließung durch einen „Erschließungsvertrag“ auf einen Dritten übertragen kann. Heute ist der Erschließungsvertrag als Unterfall des städtebaulichen Vertrages in § 11 BauGB geregelt.
- Sanierungsverträge: Gemäß § 146 Abs. 3 BauGB kann die Gemeinde die Durchführung bestimmter städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen auf Grund eines Vertrags – dem sog. Sanierungsvertrag – ganz oder teilweise dem Eigentümer überlassen. Dies ist allerdings nur möglich in einem durch eine Sanierungssatzung festgelegten Sanierungsgebiet. Der städtebauliche Sanierungsvertrag ist zu unterscheiden vom bodenschutzrechtlichen Sanierungsvertrag, durch den Sanierung von Altlasten zwischen Eigentümer und Bodenschutzbehörde geregelt wird.
- Baulandumlegungsverträge: Die Neuordnung der Grundstücke in einem Baugebiet kann auf Basis eines notariellen Tauschvertrags erfolgen, der allerdings voraussetzt, dass sich alle Eigentümer einig sind. Dieser Baulandumlegungsvertrag kann auch vorsehen, dass er Grundlage einer amtlichen Umlegung gemäß §§ 45 ff. BauGB sein soll, die den Vorteil hat, dass keine Grunderwerbssteuer anfällt.
- Kooperationsverträge: Gemäß § 54 Satz 2 VwVfG kann eine Behörde „anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen“ auch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde. Da der Erlass eines Verwaltungsaktes (in Form eines Bescheides) – hoheitlich – also in einem Über-/Unterordnungsverhältnis erfolgt, wird ein solcher Vertrag, für den in §§ 55, 56 VwVfG besondere Anforderungen geregelt sind, als Subordinationsvertrag bezeichnet. Andere öffentlich-rechtliche Verträge, für welche die Anforderungen der §§ 55, 56 VwVfG nicht gelten, werden als Kooperationsverträge bezeichnet.
Die Gemeinden behalten stets die Planungshoheit, deshalb können sich zum Beispiel Durchführungsverträge nach § 11 BauGB, die den Investor zur eigenständigen Vornahme von Baumaßnahmen verpflichten, immer nur auf bestimmte Anlagen innerhalb eines bestimmten Baugebiets beziehen. Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass durch Vertrag kein Anspruch auf die Erstellung eines Bebauungsplanes begründet werden kann (§ 1 III S. 2 BauGB). Üblich ist daher die Vereinbarung, dass der Investor seine Leistung erst erbringen muss, wenn der Bebauungsplan in Kraft getreten ist.
Grundsätze für städtebauliche Verträge
Auch wenn die Beteiligten diverse Inhalte in ihre Verträge aufnehmen können, müssen sich städtebauliche Verträge an einigen Grundsätzen orientieren. Eine besondere Bedeutung kommt dem Koppelungsverbot zu. Danach darf die Gemeinde keine Gegenleistung für eine Leistung verlangen, auf die der andere Teil ohnehin einen Rechtsanspruch hat (§ 11 II S. 2 BauGB). Sie darf beispielsweise eine Baugenehmigung nicht von der Zahlung einer Geldsumme abhängig machen, wenn der Anspruch auf die Genehmigung besteht. Das Koppelungsverbot kann aber auch dann verletzt sein, wenn sich die Kommune eine Gegenleistung zusichern lässt, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit der erbrachten Leistung steht. Die Gemeinde darf grundsätzlich nur solche Kosten übertragen, die bei Durchführung der Baumaßnahme entstehen, nicht aber innerbehördliche Sach- oder Personalkosten. Insbesondere darf die Kommune nicht versuchen, an der Wertsteigerung zu partizipieren, die durch die Ausweisung als Bauland entsteht. Gewinnquoten zugunsten der Gemeinden sind daher stets unzulässig. Weiterhin müssen Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen (§ 11 II S. 1 BauGB). Die Beurteilung hängt im Einzelfall davon ab, wie hoch die Belastung für den Investor in Anbetracht der Gesamtkosten des Projekts ausfällt.
Die Kommune muss außerdem den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten, darf einzelne Bürger also nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandeln. Dieser Grundsatz wird zum Beispiel relevant, wenn Wohnraum für eine bestimmte Personengruppe geschaffen werden soll. Dann muss die Gemeinde die einzelnen Kaufverträge mit gleichlautenden Bestimmungen versehen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des BGB gelten können. Zur Gültigkeit bedarf ein städtebaulicher Vertrag der Schriftform, sofern er den Verkauf von Grundstücken umfasst, ist die notarielle Beurkundung nötig.
Ist ein städtebaulicher Vertrag ausschreibungspflichtig?
Nach früherer Rechtsprechung fielen Grundstücksverkäufe der öffentlichen Hand grundsätzlich nicht unter das Vergaberecht, da die Verträge nicht Beschaffungszwecken der Gemeinden dienten. Demnach war eine Ausschreibung nach § 99 GWB nicht erforderlich. Das OLG Düsseldorf entschied jedoch im Jahr 2007 („Ahlhorn“-Beschluss), dass ein städtebaulicher Vertrag, der einen Grundstücksverkauf mit einer Bebauungspflicht kombiniert, eine öffentliche Ausschreibung erfordert. Zwar fallen nur entgeltliche Verträge unter die Ausschreibungspflicht, nach damaliger Ansicht des OLG Düsseldorf sollte es aber dafür ausreichen, dass der Bauträger Entgelte von späteren Käufern oder Mietern zu erwarten hatte. Dieser Argumentation schlossen sich weitere Oberlandesgerichte an.
Der EuGH erteilte dieser Position jedoch im Jahr 2010 eine Absage („Helmut Müller“-Entscheidung, EuGH, 25.03.2010 – C-451/08) und stellte klar, dass ein öffentlicher Bauauftrag nur dann vorliegt, wenn die Bauleistung der Gemeinde unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt (Bestellbau). Unter Bezugnahme auf diese EuGH-Entscheidung hat inzwischen das OLG Düsseldorf seine Rechtsprechung geändert. Ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse, das eine Ausschreibung erforderlich macht, liegt nach den Ausführungen des Senats dann vor, wenn:
- der kommunale Auftraggeber selbst Eigentümer der zu errichtenden Anlage werden soll,
- er das Nutzungsrecht an dieser erhält, zum Beispiel durch Miete oder Pacht, oder
- er einen sonstigen wirtschaftlichen Vorteil aus der Nutzung ziehen kann.
Die bloße Möglichkeit, auf die zukünftige Nutzung Einfluss zu nehmen, stellt dagegen keinen wirtschaftlichen Vorteil dar.
Mittlerweile ist auch gesetzlich geregelt, dass ein Bestellbau nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB dem Vergaberecht unterliegt, Erwerb, Miete und Pacht von Grundstücken nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB jedoch nicht.
Folgen von Verstößen gegen formelle und materielle Voraussetzungen
Je nachdem, ob verwaltungsrechtliche oder zivilrechtliche Elemente überwiegen, kann sich ein städtebaulicher Vertrag als öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Vertrag darstellen. Letzterer unterliegt unmittelbar dem BGB, ersterer ist ebenfalls nach den Regeln des BGB zu beurteilen, da die einschlägigen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts denen des Zivilrechts entsprechen oder auf diese verweisen.
Wenn ein städtebaulicher Vertrag eine Regelung enthält, die gegen wesentliche Prinzipien verstößt, etwa das Koppelungsverbot oder das Verbot der Gewinnabschöpfung, ist die Bestimmung nichtig, was im Regelfall zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führt. Ebenso führt ein Formverstoß, also die Nichteinhaltung der Schriftform oder der notariellen Form, zur Ungültigkeit. Die Nichtigkeit hat regelmäßig zur Folge, dass alle bereits erbrachten Leistungen nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) rückabzuwickeln sind. Bei schuldhaften Pflichtverletzungen im Rahmen der Vertragsanbahnung kommen außerdem Ansprüche nach dem Leistungsstörungsrecht des BGB in Betracht, zum Beispiel auf Schadenersatz. Im Extremfall kann ein städtebaulicher Vertrag mit gravierenden Fehlern auch strafrechtliche Konsequenzen für den Amtsträger der Gemeinde nach sich ziehen. Denkbar sind Betrug, Erpressung, Vorteilsannahme und Bestechlichkeit, sofern der Amtsträger vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht handelt.
Verstöße gegen vertragliche Vereinbarungen
Wenn der Vertrag rechtmäßig zustande gekommen ist, aber eine Partei die Vereinbarungen nicht ordnungsgemäß erfüllt, das heißt schlecht, gar nicht oder zu spät leistet, hat die andere Seite Ansprüche nach dem Leistungsstörungsrecht des BGB. Diese richten sich auf:
- Erfüllung,
- Kündigung,
- Rücktritt und/oder
- Schadenersatz.
Weiterhin kann eine Vertragsstrafe fällig werden, wenn diese im städtebaulichen Vertrag vereinbart wurde.
Fazit
Der städtebauliche Vertrag bietet Bauträgern und Investoren die Möglichkeit, an den Planungsentscheidungen der Kommune aktiv mitzuwirken und ihre Projekte nach individuellen Wünschen umzusetzen. Auch die Gemeinden, die sich viele Bauprojekte aufgrund ihrer knappen finanziellen Mittel nicht leisten könnten, profitieren erheblich von der Kooperation. Allerdings hält die Vertragsgestaltung einige Fallstricke bereit, und eine einzige fehlerhafte Vereinbarung kann das gesamte Vertragswerk zu Fall bringen. Beide Seiten brauchen deshalb von Beginn an kompetenten Rechtsbeistand. Spezialisierte Rechtsanwälte auf dem Gebiet des Baurechts und des Verwaltungsrechts sorgen zunächst dafür, dass der Vertrag fehlerfrei zustande kommt.